Wozzeck
„Meine Herren, meine Herren! Sehn Sie die Kreatur, wie sie Gott gemacht: nix, gar nix. Sehn Sie jetzt die Kunst: geht aufrecht, hat Rock und Hosen, hat ein‘ Säbel! Der Aff ist Soldat; s‘ ist noch nicht viel, unterste Stuf von menschliche Geschlecht. Ho! Mach Kompliment! So – bist Baron. Gib Kuss! – Wicht ist musikalisch.“
Die absurde Präsentation eines Marktschreiers aus Büchners „Woyzeck“ hat es nicht in Alban Bergs epochemachende Oper geschafft. Und doch bringt sie für KOMMANDO HIMMELFAHRT die geheime, bohrende Frage dieser Oper auf den Punkt: Ist der Mensch wirklich schlecht? Muss er betrügen, stehlen, morden? Und was kann die Kunst der grauenhaften Bilanz der Bestie Mensch hinzufügen?
In Bergs „Wozzeck“ von 1925 gibt es auf der Ebene des Librettos wenig Hoffnung. Darin folgt er der fatalistischen Weltsicht von Büchners Fragment über Machtmissbrauch, Menschenexperimenten, Männergewalt.
Wozzeck, ein einfacher Soldat, hat mit Marie ein uneheliches Kind. Verzweifelt bemüht er sich, seine kleine Familie durchzubringen. Daher arbeitet er zusätzlich zum Dienst als Versuchskaninchen für einen Mediziner, der den Einfluss von einseitiger Ernährung erforscht. Doch die Diät ausschließlich mit Hülsenfrüchten hat einen fatalen Effekt: Wozzeck beginnt, Wahnvorstellungen zu entwickeln. Als Marie ihn betrügt, sieht sein zerrütteter Geist nur noch einen Ausweg…
Alban Bergs hochkomplexe Gefühlsmusik treibt die beiden Protagonisten immer weiter vor sich her, bis in den grausamen Mord und Tod. Doch woher kommen auf einmal diese schwelgerischen Streicherlinien, diese flirrenden Akkorde, diese geheimnisvollen Lichter? Auf der Ebene der Musik zeichnet Berg ein komplexeres Bild der Menschlichkeit und seinen Möglichkeiten. Könnte man die vielen Toten des Dramas noch einmal sprechen lassen, was würden sie berichten?
Kommando Himmelfahrt inszeniert „Wozzeck“ am Theater Aachen als unheimliche Séance von Menschen und lebensgroßen Puppen und sucht nach einem utopischen Hoffnungsschimmer im tiefen Schwarz von Büchners Text.